2021 11 17 Demenz Kongress Nudging 411

Richtlautsprecher

Nudging für mehr Zeit im Garten - Darf man das?

Richtlautsprecher senden den Schall mit geringer Streuung aus. Das bedeutet, dass Sie einen Beitrag dazu leisten können, akustische Angebote für einzelne zu schaffen - und gleichzeitig andere im Raum nicht oder nur geringfügig zu belasten.
  • Es entsteht der Eindruck, dass der Schall nur direkt "unter" dem Richtlautsprecher zu hören ist.
  • In Abhängigkeit von Umgebungsgeräuschen, Lautstärke des Lautsprechers und eigenem Hörvermögen ist dieser Eindruck jedoch limitiert:
    • Reflexionen durch schiefe Montage oder schrägstehende Oberflächen lenken Schall um - so kann es zu erhöhter Streuung kommen.
    • Beim Audio Spotlight 16i haben wir beobachtet, dass hohe Töne seitlich gut zu hören sind. Mutmasslich liegt das weniger an Streuungen, sondern vielmehr an einer Geräuschentwicklung bei der Schallerzeugung.



Die Fläche (korrekter der Kegel), die beschallt wird schafft Abhängigkeiten und Möglichkeiten:
  • Zeitabhängigkeit: Bei der Beschallung gehender Personen, hat die Grösse der Fläche Einfluss auf das Zeitfenster, in der die Beschallung wahrgenommen wird.
    • Mutmassliche weitere Einflussfaktoren:
      • Gehgeschwindigkeit: Je schneller ich mich bewege, desto geringer ist das Zeitfenster, in dem ich den Schall wahrnehmen kann.
      • Lautstärke: Je Geringer die Lautstärke des Beschallungsangebot ist - desto wahrscheinlicher ist es, dass die Beschallung unterhalb meiner Wahrnehmungsgrenze liegt.
      • Kontinuitiät: Je mehr bzw. langandauernde Pausen das Beschallungsangebot hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Beschallungsangebot im Zeitfenster nicht wahrgenommen wird.
      • Ablenkungsreize: Je dominanter äussere Reize sind (z.B. Stress, Fokus auf anderen Reizen), desto wahrscheinlicher ist es, dass das Beschallungsangebot im Zeifenster nicht wahrgenommen wird.
    • Konsequenzen:
      • Kleinere Beschallungsflächen verringern die Konfrontationszeit - das Angebot wird ggf. weniger (als aufdringlich) Wahrgenommen.
      • Grössere Beschallungsflächen erhöhen ggf. die Konfrontationszeit - das Angebot wird ggf. mehr (als aufdringlich) Wahrgenommen.
      • Wird die Beschallung wahrgenommen, kann es sein, dass Personen stehen bleiben, um das Beschallungs-Angebot wahrzunehmen - und damit andren Personen im Weg stehen.
  • Positionsabhängigkeit: Wird die Beschallung einer im Stehen, Sitzen oder Liegen verweilenden Person adressiert, spielt das Zeitfenster der Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle. Und die Position des Kopfs bzw. der Ohren rückt in den Vordergrund.
    • Je kleiner die Beschallungsfläche ist, desto weniger Positionsveränderung ist nötig um den Kopf aus der Beschallungsfläche zu bewegen - bzw. desto mehr Stabilität des Kopfs ist für ein gleichbleibendes Hörerlebnis erforderlich.
    • Konsequenzen
      • Im Liegen: Eine Person kann sich in die Beschallungsfläche rollen - oder wieder herausbewegen.
      • Im Sitzen: Eine Person kann sich durch Aufrechtes sitzen in die Beschallungsfläche hinein (oder herausbewegen) - beim entspannten Zurücklehnen wird die Grenze in die andere Richtung überschritten.
  • Konsequenzen der Beschallungs-Fläche:
    • Personen, die Ihre Bewegungsgeschwindigkeit eingeschränkt steuern können, bedürfen im Konzept besonderer Berücksichtigung.
    • Personen, die Ihre Körper/Kopfposition eingeschränkt kontrollieren können, bedürfen im Konzept besonderer Berücksichtigung.


In unserer Testung haben wir in Abhängigkeit von des Gehörvermögens konfligierende Ansprüche an die Lautstärke der Beschallung erfahren
  • Menschen mit reduziertem Hörvermögen wünschen sich eine lautere Beschallung - das kann zu erhöhter Schallemission in der Wahrnehmung von Menschen mit erweitertem Hörvermögen führen.
  • Wird dem Anspruch von Menschen mit erweitertem Hörvermögen entsprochen, sind Menschen mit reduziertem Hörvermögen ggf. vom Angebot ausgeschlossen.


  • Vogel-Zwitschern - Führt bei Ruhiger Umgebung durch die hohen Frequenzen zu stärkerem Streuen.
  • Mögliche Niederfrequente Alternativen:
    • In Alpenregionen: Alphörnern,
    • Niederfrequente Kuhglocken.


Die Dauer des akustischen Angebots kann beeinflusst werden durch
  • Aufmerksamkeitsspanne: Wie lange kann eine Person dem Angebot folgen? (z.B. 10 Sekunden? 1 Minute? 20 Minuten?)
  • Ausblenden von Geräuschen: Nach welcher Zeit adaptiert sich die Wahrnehmung an die Beschallung und blendet diese als Hintergrundgeräusch aus? (20 Minuten?)


Offen ist für uns noch die Frage, wie lange der Nudging-Impuls erhalten bleibt. Mögliche Einflussfaktoren könnten sein:
  • Bedeutung: Wie relevant ist der Impuls für die betroffene Person?
  • Barrieren: Welche Einflussfaktoren wirken dem Nudging-Impuls entgegen?
    • Ist die Sitzbank unter einem künstlichen Baum so angenehm gestaltet, dass sie attraktiver ist als der Garten?
  • Promotoren: Welche Einflussfaktoren wirken dem Nudging-Impuls förderlich zu?
    • Ist die Sitzbank unter einem künstlichen Baum so angenehm gestaltet, dass sie Lust auf mehr macht?


Wie authentisch darf oder soll das Angebot sein?
  • Muss das Angebot (von Naturgeräuschen) Saisonal oder in der Tageszeit angepasst sein?
  • Führt genau diese Authentizität zu einem Vortäuschen falscher Wirklichkeiten?


Wie wie können Sinnzusammenhänge hergestellt werden oder der Sinneseindruck angereichert/vertieft werden?
  • Kombination mit Bild (statisches Bild, digitaler Bilderrahmen)
  • Kombination mit Bewegtbild (TV)
  • Bei Naturgeräuschen:
    • Kombination mit einem Gartenbänkchen/Outdoor-Möbel
    • Kombination mit einem künstlichen Baum
    • Kombination mit Vogel-Attrappen


Wie ist das Angebot gesteuert?
  • Dauerangebot: Wird die Beschallung kontinuierlich aufrechterhalten?
  • Zeitsteuerung: Wird das Angebot von der Tageszeit ausgehend gesteuert (z.B. Nachts keine Beschallung - oder Nachts ein besonderes Programm?)
  • Manuelle Steuerung: Wird das Angebot z.B. per Knopfdruck aktiviert?
  • Sensor-Steuerung: Wird das Programm durch Sensoren gesteuert (z.B. beim Aufstehen oder beim Hinsetzen, durch einen Präsenzmelder etc.)
  • Künstliche Intelligenz: Wird ein Programm etwa durch Künstliche Intelligenz angesteuert - etwa ein Buch vorgelesen, wenn die Seiten von Kameras erkannt werden?
Wer hat die Steuerungs-Verantwortung?
  • Die betroffenen Menschen selbst
  • Pflegende
  • Betreuende
  • Angehörige


Welche Verantwortung benötigt Nudging?
  • Wenn ich Nudging benötige, um eine Entscheidung zu treffen: benötige ich dann auch Unterstützung bei den Konsequenzen meines Verhaltens?
    • Konkret: Wenn ich durch Nudging in den Garten geführt werden - benötige ich dann auch Unterstützung, wieder zurück zu finden?
  • Beobachtung der Wirkung
    • Entsteht Irritation - Wir der Vogel, der gehört wird gesucht? Ist das im Einzelfall als positiv oder negativ zu bewerten?
    • Beobachtung der Mimik: Welche Gefühle lassen sich Mimisch erkennen/rekonstruieren?



In der Testung haben wir folgende Konzeptanregungen bekommen:
  • Anleitung: Mit einem Richtlautsprecher könnten Abläufe angeleitet werden ("Wie bediene ich die Kaffeemaschine?")
  • Interaktionsaufforderung: Mit einem Richtlausprecher könnte Interaktion adressiert werden ("Drücke den Knopf, falls Du Informationen zu dem Bild, vor dem Du stehst haben möchtest.")
  • Vertontes Foto: Vor einem Bilderrahmen könnten Sprachsequenzen abgespielt werden, die in der Erinnerungsarbeit aufgenommen wurden.
    • Limitation: Es könnte für Konfusion sorgen, die eigene Stimme zu hören.
    • Limitation: In der Biografiearbeit wird auch beobachtet, dass Menschen mit Demenz den Bezug zu eigenen Fotos verlieren.
  • Video-Sequenzen: TV-Angebote für Menschen mit Demenz könnten mit Ton angeboten werden - bei reduzierter Schallemission.
  • Gaming: Videospiele/Exergames könnten zur Aktivierung genutzt werden - bei reduzierter Schallemission
  • Entspannung: Angebot von Musik mit 60 bpm (Herzfequenz?) oder Mozarts kleiner Nachtmusik (hierzu gibt es offenbar Studien zur beruhigenden Wirkung)
  • Aktivierungsangebote: Biographische Beschallung (in Abhängigkeit von Person/Region/Generation z.B. Marschmusik)