Assistenzsysteme: Kritische Reflexion

Grosse Visionen, kleine Evidence

Der Vision der Assistenzsysteme mangelt es an hinreichender Ziel- und Problemklarheit. Die Notwendigkeit zur fachlichen und ethischen Reflexion ist auch durch den Wertebezug und den Ruf nach belastbaren Nutzenaussagen belegbar.
  • Fehlende Zielklarheit: Die Zielsetzungen sind abstrakt und nicht messbar formuliert, können jedoch durch die Zuweisung zu verschiedenen Themenfeldern, wie etwa „Überwachung“, „Partizipation“, „Sturzerkennung“, „Medizin“ (Healthcare), „Aktivitätserkennung“ oder „Medikation“ konkretisiert werden (Queirós und da Rocha 2018, S. 17–20, 25). - Die Bedeutung der Zielklarheit wird in verschiedenen Methoden zur Technikbewertung (sentha, MAST, EvAALuation, NAAM) hervorgehoben (vgl. Friesdorf und Heine 2007, S. 117; Allner et al. 2012, S. 5–6; Himmelsbach et al. 2017, S. 5–6; Lutze et al. 2019, S. 54).
  • Zielklarheit: Zielklarheit beginnt mit der Definition und Strukturierung des Problems und umfasst das systematische Analysieren von Zielen, Werten und Handlungsalternativen voraus. Die Struktur und Definition des Problems legt den Bereich dessen fest, was zu Untersuchen ist - und beeinflusst damit die Resultate. Aus Ingenieursperspektive werden professionelle und disziplinäre Standards als Grundlage für die Technikbewertung betont (vgl. VDI-3780 2000, S. 88, 66–69).
  • Wertebezug: Der VDI verweist für das technische Handeln auf Werte wie Funktionsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Wohlstand, Sicherheit, Gesundheit, Umweltqualität, Persönlichkeitsentfaltung und Gesellschaftsqualität und beschreit diese und deren Konfliktpotenzial (vgl. VDI-3780 2000, S. 73–84, 91). Das MEESTAR-Modell unterstützt die Wertereflexion mit drei Beobachtungsebenen (Individuell, organisational, gesellschaftlich) (vgl. Manzeschke 2015, S. 2, 5–6).
  • Belastbare Nutzenaussagen: Die 145 Studien, die für die Expertise „Digitalisierung und Pflegebedürfigkeit – Nutzen und Potenziale von Assistenztechnologien“ des GKV Spitzenverbandes berücksichtigt wurden, beschreiben sowohl den Mangel an Klarheit in Bezug auf die zu lösenden Probleme, als auch in der Konkretisierung und Messbarkeit der Ziele. Konkrete und belastbare Nutzen- und Wirkungszusammenhänge im Sinne einer Evidence-Basierung liegen (Stand 2019) nicht vor: Die Studienqualität muss gesteigert werden - hierzu sollen Ziele und Probleme konkretisiert werden (vgl. Lutze et al. 2019, S. 128–131, 224–225; Remmers 2019, S. 407).