Entwicklungsansatz: Deduktiv, induktiv, abduktiv

Welchen Einfluss hat der Ansatz auf die Entwicklung?

Deduktion ist wahrheitserhaltend, Induktion falschheitsbewahrend, Abduktion hypothesengenerierend.
Für die Entwicklung von (Technik-)Konzepten gibt es verschiedene Ansätze. Welche Effekte bringen diese Ansätze mit sich?

Grundsätzlich verhalten sich deduktive und induktive Elemente im Prozess der Entwicklung komplementär (vgl. Weinberger et al. 1994, S. 4, 133). Wir differenzieren an dieser Stelle, weil die Konsequenzen, die die jeweiligen Aspekte mit sich bringen für die fachliche und ethische Reflexion tragend sind.

Deduktive Entwicklung

  • Theorie-Aussage + Struktur-Aussage = Empirie-Aussage (vgl. Sturm 2006, S. 4)
  • Bezug auf Gegebenes: Eine deduktive Entwicklung (aber auch Bewertung) von Technik nimmt Bezug auf gegebene Voraussetzungen und Hintergrundwissen. Das kann etwa eine pflegewissenschaftliche Definition des Sturzes sein.
  • Wahrheitserhaltung: Deduktion ist wahrheitserhaltend. Das bedeutet, dass immer dann, wenn das Hintergrundwissen und die gegebenen Regeln korrekt sind auch die abgeleiteten Konsequenzen korrekt sind (vgl. Weinberger et al. 1994, S. 4-5). Eine Sturzerkennung führt also immer dann zu einem korrekt erkannten Sturz, wenn eine Person im Sinne der Definition korrekt stürzt (Ereignis, tiefere Ebene, ohne Absicht)
  • Messtechnische Herausforderungen bei der Sturzerkennung
    • Ereignis:
      • Der Endpunkt der Messung ist mit dem Aufkommen auf einer tieferen Ebene definiert.
      • Der Anfangspunkt liegt implizit im Beginn des "Unbeabsichtigten" - ist jedoch nicht hinreichend klar definiert (vgl. DNQP 2013, S. 13).
    • Ebene:
      • Der erste Bezugspunkt ist mit der die mittleren horizontalen Körperachse definiert.
      • Die Berücksichtigung des Bodens als auch anderer niedrigerer Ebenen kann im Detail komplex sein: Flächen können sich Bewegen (Treppenlift, Hebebühne oder schräg gestellt sein (Treppen, Rampen). Dieser zweite Bezugspunkt zur Messung kann sich also relativ zur Zeit (sich bewegende Flächen)oder zur horizontalen Bewegungsrichtung (Schrägstellungen) zwischen Start- und Endzeitpunkten des Sturzereignisses verändern.
      • Dadurch wird ein Grenzbereich eröffnet, der falsch interpretiert werden kann und entsprechend auch zu einer falsch positiven wie falsch negativen Sturzerkennung führt.
      • Absicht:
        • Es gibt verschiedene (induktive) Ansätze der Absichtserkennung - diese sind uns im Bereich der Sturzerkennung jedoch noch nicht begegnet.
        • Wir Pflegende scheinen die Absicht (induktiv) aus verschiedenen Faktoren zu interpretieren, um zu Beurteilen, ob ein Sturzereignis vorliegt oder nicht (Emotionsäusserungen, Kontextinformationen, ...)
        • Kann die Absicht nicht bestimmt werden, wird der Definitionsraum erweitert. Interpretiere ich die Absicht anders, als ein Sturzerkennungs-System, so ist es denkbar, dass ich eine Alarm als Falschalarm wahrnehme.

Induktive Entwicklung

  • Empirie-Aussage + Struktur-Aussage = Theorie-Aussage (vgl. Sturm 2006, S. 4)
  • Bezug auf Beobachtungen: Die induktive Entwicklung nimmt Bezug auf die Beobachtungen und leitend daraus abstrahierte und generalisierte Aussagen ab.
  • Falschheitsbewahrend: Induktion ist falschheitsbewahrend. Immer dann, wenn eine Beobachtung falsch ist, ist auch die abgeleitete Konsequenz falsch (vgl. Weinberger et al. 1994, S. 4-6). Die Aussagekraft einer Sturzerkennungslösung muss immer dann reduziert werden, wenn die Reichweite einer Beobachtung reduziert werden muss.
  • Analytische Herausforderungen bei der Sturzerkennung:
    • Vorannahmen:
      • Aus welchen Vorannahmen heraus wird werden Beobachtungsräume erschlossen? Wird ein Sturzgeschehen ausschliesslich aus der Vorannahme des Stolperns abgeleitet, werden Stürze, die einem Kreislaufkollaps folgen gar nicht in den Beobachtungsraum mit einbezogen.
    • Beobachtungsraum:
      • Personen: Werden Menschen in der Vielfalt abgebildet, wie Sie auch in der Pflege adressiert sind? (Geschlecht, Körpergrösse, Masse, Amputationen & Fehlbildungen, chronische Einschränkungen und Erkrankungen...?). Hat ein System Stürze mit "durchschnittlichen" erwachsenen Personen gelernt, so kann die Funktionalität des Systems umso mehr limitiert sein, je mehr die Nutzerin oder der Nutzer von diesen Vorannahmen abweicht. Weitere Störgrössen könnten Haustiere oder andere unerwartete Einflüsse sein.
      • Rollladen-Notruf: Ein Beispiel für alltägliches Induktives Lernen kann der "Rollladen-Notruf" sein. Im Quartier werden wiederholt Notfälle erkannt, weil der Rollladen abweichend von der Routine morgens nicht hochgezogen wird. Dieses soziotechnische System erzeugt Fehlmessungen, wenn eine Person im Urlaub ist, auszieht, die Rollläden defekt sind oder automatisiert werden.
    • Transparenz:
      • Durch statistische Lernverfahren (aka Künstliche Intelligenz, Deep Learning, Machine Learing etc.) erhalten wir wiederholt die Rückmeldung, dass die Entwickler selbst nicht genau sagen können, wie ein Sturz erkannt wird. Dies erschwert uns Pflegenden, die Reichweite und Grenzen des Systems einzuschätzen.

Abduktive Entwicklung

  • Empirie-Aussage + Theorie-Aussage = Struktur-Aussage (vgl. Sturm 2006, S. 4)
  • Hypothesengenerierend: Der abduktive Schluss schient hypothesengenerierend.