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Implementierungs-Tief

Warum kann Technik nicht einfach funktionieren?

Wir haben uns über Jahre an Strukturen und Prozesse gewöhnt. Technik verändert diese Prozesse - deshalb kann es anfangs holperig sein., bevor es rund läuft.

Eine von zwei Freundinnen hatte ich ir bereits einmal beraten. In diesem Vertrauen trug Sie das Problem der Freundin zu mir: Sie kann das Gurkenglas nicht mehr öffnen. Ich hatte zwar genügend dafür sensibilisiert, dass auch gut gemeinte Hilfe als Stigmatisierend ankommen kann. Aber ich hatte nicht daran gedacht, dass es wichtig sein könnte, die Anwendung der Hilfsmittel zu üben. "Wir hätten uns beinahe zerstritten - das Zeug hat nicht funktioniert". Zwischen Frust und Ehrgeiz übte die Helferin den Umgang mit dem einen Öffner - und dann mit dem anderen:

Ich habe 3 Monate geübt, dann hat es geklappt. Mit dem anderen waren es nur noch 2 Wochen.

Am Ende des Tages nutzten beide Freundinnen jeweils einen Schraubdeckelöffner. Weil auch die vermittelnde Freundin einen Nutzen in einem der Öffner für sich entdeckt hat.

Manchmal läuft es so schlecht, dass jede Implementierung eine Verbesserung ist. Das Implementierungs-Tief ist aber letztlich immer da. Wie tief es ist und wie lange es dauert, kann durch Übung und Anleitung beeinflusst werden.



Referenzen in der Literatur

  • Technik muss bedient werden können.
  • Implementierung von Technik ist kein Selbstläufer.
  • Es braucht Beratungs-, Reflexions- und Implementierungskompetenz.

Technik muss auch bedient werden können
Hinsichtlich der beeinflussenden Faktoren kann herausgestellt werden, dass gewisse Aspekte übergreifend für alle Teilnehmendengruppen von hoher Relevanz sind. Dazu gehört insbesondere die Passung zwischen Hilfsmittel und Bedarf der Nutzer*innen, und dass die Hilfsmittel durch diese angewendet werden können. Ein weiterer Schwerpunkt bei den beeinflussenden Faktoren bilden die Kategorien, die sich in interaktiven Situationen des Versorgungs-prozesses, wie der Zusammenarbeit, Kooperation und Kommunikation zwischen Nutzer*innen und den anderen Akteuren im Gesundheitswesen, manifestieren. Dazu gehören z.B. die angebotene Beratung der Hilfsmittelleistungserbringer*innen, die Aufklärung der Nutzer*innen durch die weiteren Leistungserbringer*innen oder die Kooperation der Kostenträger mit den Nutzer*innen. Außerdem gibt die Kategorie Ausmaß der Motivation und des Engagements auf Seiten der weiteren Leistungserbringer*innen einen Hinweis darauf, dass die Versorgung über die gesetzlichen Vorschriften hinaus eine Auswirkung auf die Versorgungsqualität hat. Bei anderen Aspekten gab es auffällige Unterschiede, beispielsweise bei der Relevanz der Höhe der Herstellungskosten, der Bereitschaft zur Kostenübernahme und der Bereitschaft zur Ausstellung von Folgerezepten. Zusammenfassend kann bezüglich der beeinflussenden Faktoren festgehalten werden, dass hier besonders die produkt- und prozessbezogenen Aspekte von hoher Bedeutung sind. (Raschper et al. 2022, S. 62 im PDF)


Deutlich wurde der unterschiedliche Fokus der Teilnehmendengruppen, der sich durch große Anteile der Befragung zieht. So sind aus Perspektive der Nutzer*innen vorwiegend ein passendes Hilfsmittel und die Betreuung durch die Leistungserbringer*innen von großer Bedeutung. Es zeigt sich eine gewisse Tendenz hin zu einem passiven Konsumverhalten, was durch die etwas niedrigere Relevanz der eigenen Compliance im Vergleich zur Einschätzung der anderen Teilnehmendengruppen bestätigt wird. Bei den ärztlichen Leistungserbringer*innen zeigt sich eine medizinische Perspektive, im Rahmen derer alle mit dem Gesundheitszustand der Nutzer*innen zusammenhängende Aspekte fokussiert werden. Dies äußert sich bei der Versorgung mit einem für die Nutzer*innen passendes Hilfsmittel, einer Betreuung durch die anderen Leistungserbringer*innen und der durch die Leistungserbringer*innen durchgeführten Erfolgskontrolle der Versorgung. Aus Sicht der Hilfsmittelleistungserbringer*innen und der nicht-ärztlichen Leistungserbringer*innen, deren Perspektive oft ähnlich erscheint, liegt der Fokus auf den Aspekten, die die Interaktion mit den Nutzer*innen beschreiben, wie beispielsweise Service und Beratung, sowie auf den Aspekten, die den Umgang von Nutzer*innen mit dem Hilfsmittel beschreiben. Bei den Kostenträgern zeigt sich eine ökonomische Perspektive in dem Sinne, dass durch das Hilfsmittel tatsächlich das Versorgungsziel erreicht wird und ein Hilfsmittel zu rentablen Zwecken eingesetzt wird. Hier wird die Rolle der Kostenträger als eine Art Kontrollinstanz, auch im Sinne einer gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft der Versicherten, deutlich (SGB V, 1988, §127 Abs. 5). (Raschper et al. 2022, S. 62-63 im PDF)


Implementierung von Technik ist kein Selbstläufer

Die Kompetenz, vorausschauend einschätzen zu können, ob eine technische Lösung sinnvoll ist, sei es aufgrund von Einstellungen oder Fähigkeiten der ratsuchenden Person, basierend auf ihrer gesundheitlichen oder materiellen Lage, geht über das Fachwissen zu technischen Unterstützungsmöglichkeiten hinaus. Es geht vielmehr um einen Kompetenzbereich, der mit dem Wissen und der Erfahrung zur Implementierung von Technik in bestehende Wohn- und Versorgungskontexte verbunden ist. Eine darüber hinausgehende notwendige Kompetenz besteht darin, diese Einschätzung gegenüber Ratsuchenden (sensibel) zu vermitteln. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 31, Hervorhebungen JH)

Aufgrund der o.g. Anforderungen ist es für Berater*innen wichtig, die Lebenswelten ihrer Zielgruppen zu kennen und typische Problemlagen zu verstehen, um auf potenzielle Krisensituationen vorbereitet zu sein. Wichtig ist aus Sicht der Befragten, dass Technikberater*innen mit den Voraussetzungen der Implementierung von verschiedenen Technologien in die Wohn- und Lebenswelten Ratsuchender betraut sind. Dazu gehört auch die Kenntnis von Einflussfaktoren auf Technikakzeptanz, z. B. der biografischen, sozialen und ökonomischen Faktoren. Bei bestimmten Zielgruppen, z. B. älteren Menschen, gehört dazu die Kenntnis der Altersbilder, die im Zusammenhang mit Technik stehen. Neben gesellschaftlichen Altersbildern zählen allerdings auch individuelle Faktoren zum notwendigen Wissen der Berater*innen, z. B. per-sönliche Motive, die sowohl bei der Gestaltung der Beratungsangebote als auch der Bildungs-angebote für verschiedene Zielgruppen zu berücksichtigen sind. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 31, Hervorhebungen JH)

Zu den Hindernissen der Technikberatung gehören die zum Teil fehlenden Digitalkompetenzen – sowohl bei Professionellen, z. B. bei Kooperationspartner*innen, als auch bei Rat-suchenden. Da Möglichkeiten des Erwerbs von Digitalkompetenz nicht flächendeckend vorhanden sind, lehnen viele Personen neue Technologien aus Unkenntnis ab. Fehlende Digitalkompetenzen erschweren nicht nur die Beratung, sondern auch die Nutzung neuer Technik, so dass Ratsuchende, deren Angehörige und die sie unterstützenden Professionellen, z. B. Pflegekräfte oder Assistenzdienste, einer Anleitung bedürfen. Während bei erfolgten Umbaumaßnahmen meist kein großer Lernaufwand notwendig ist (z. B. bei der Nutzung eines Treppenliftes), besteht beim Einsatz vieler digitaler Technologien ein höherer Lernaufwand, der zum Teil um einen Begleit- und Serviceaufwand erweitert werden muss. Die Implementierung assistiver digitaler Technik in private Haushalte steht daher vor besonderen Barrieren, wenn Vermittlungs- und Begleitservices fehlen oder es keine nachhaltigen Lösungen für sie gibt. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 142, Hervorhebungen JH)


Es braucht Beratungs-, Reflexion- und Implementierungskompetenz

7. Digitale Kompetenzen in für ältere Menschen relevanten Berufsgruppen fördern Das Wirken bestimmter Berufsgruppen hat im Leben oder für das Leben älterer Menschen eine besondere Bedeutung. Gemeint sind hier vor allem Berufsgruppen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Soziale Arbeit, Architektur und Handwerk, aber auch Handel, Banken und Versicherungen. Die Kommission empfiehlt der Bundesregierung und den Ländern, Gesetze und Regelungen auf den Weg zu bringen, die sicherstellen, dass der Erwerb von digitalen Kompetenzen und die Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf den eigenen Arbeitsbereich und auf das Leben älterer Menschen feste Bestandteile in allen Ausbildungscurricula dieser Berufsgruppen werden. Das Ziel sollte sein, bei den Angehörigen dieser Berufsgruppen eine umfassende Beratungs-, Reflexions- und Implementierungskompetenz im Hinblick auf einen angemessenen Einsatz digitaler Technologien auszubilden. (BMFSFJ 2020, S. 137, Hervorhebungen JH)