rotes_Besteck-FDWirksamkeit

Fenster der Wirksamkeit

Wie lange hilft die Technik?

Wenn Einschränkungen des Alters oder chronischer Erkrankungen zunehmen, ist es wahrscheinlich, dass es ein "zu früh" und ein "zu spät" für eine technische Lösung gibt. Dazwischen liegt das Fenster der Wirksamkeit.

Die Geschichte des roten Bestecks erzählt von einer Frau, die das Besteck auf dem Tisch aufgrund einer demenziellen Veränderung nicht mehr erkennen konnte. Das Besteck mit den roten Griffen wurde abgelehnt (stumpfe Klinge, Stigmatisierung), deshalb haben wir für 60 CHF ein Besteck mit roten Griffen besorgt. Mit diesem Besteck konnte die Frau 14 Monate lang selbständig essen.

14 Monate lang hat es funktioniert. Das bedeutet 14 Monate Würde und Autonomie.

Nach dieser Zeit konnte das Besteck zwar weiterhin gefunden werden, aber die Frau war unsicher, wie es angewendet wird. Durch den fortschreitenden Krankheitsverlauf war die Wirksamkeit des roten Bestecks also limitiert.

Zur Mitmachstudie


Referenzen in der Literatur

  • Wirksamkeit von Technik ist eine zentrale Qualitätsanforderung
  • Wirksamkeit hängt auch von den Nutzerinnen und Nutzern ab.
  • Wirksamkeit hängt auch vom Zeitpunkt des Einsatzes ab
  • Wirksamkeit betrifft nicht nur erwünschte, sondern auch unerwünschte und unerwartete Aspekte

Wirksamkeit von Technik ist eine zentrale Qualitätsanforderung

In Bezug auf das grundlegende Verständnis zur Qualität von Hilfsmitteln und Hilfsmittelversorgung zeigen sich ebenfalls große Übereinstimmungen. Diese werden bei der Passung zwischen Hilfsmittel und Bedarf des/der Nutzers/Nutzerin, der Erfüllung des/der Zwecks/Funktion/Aufgabe, der bedarfsgerechten Versorgung des/der Nutzers/Nutzerin und der angebotenen Beratung seitens des/der Hilfsmittelleistungserbringer*in deutlich. Auffällige Unterschiede können beispielsweise bei der Art der Genehmigungspraxis und der Höhe der Erstattung durch die Kostenträger identifiziert werden. Bezüglich des grundlegenden Verständnisses der Qualität von Hilfsmitteln und Hilfsmittelversorgung zeigt sich vor allem sowohl eine nutzerorientierte Perspektive als auch eine Outcomeorientierung bezogen auf die Nutzer*innen. Dies erweckt den Eindruck, dass die patient*innenorientierte Versorgung bei allen Teilnehmendengruppen im Fokus des Qualitätsverständnisses steht. An dieser Stelle gilt es zu prüfen, ob diese ebenso in der Versorgungspraxis umgesetzt wird. (Raschper et al. 2022, S. 62 im PDF)


Wirksamkeit hängt auch von den Nutzerinnen und Nutzern ab

Deutlich wurde der unterschiedliche Fokus der Teilnehmendengruppen, der sich durch große Anteile der Befragung zieht. So sind aus Perspektive der Nutzer*innen vorwiegend ein passendes Hilfsmittel und die Betreuung durch die Leistungserbringer*innen von großer Bedeutung. Es zeigt sich eine gewisse Tendenz hin zu einem passiven Konsumverhalten, was durch die etwas niedrigere Relevanz der eigenen Compliance im Vergleich zur Einschätzung der anderen Teilnehmendengruppen bestätigt wird. Bei den ärztlichen Leistungserbringer*innen zeigt sich eine medizinische Perspektive, im Rahmen derer alle mit dem Gesundheitszustand der Nutzer*innen zusammenhängende Aspekte fokussiert werden. Dies äußert sich bei der Versorgung mit einem für die Nutzer*innen passendes Hilfsmittel, einer Betreuung durch die anderen Leistungserbringer*innen und der durch die Leistungserbringer*innen durchgeführten Erfolgskontrolle der Versorgung. Aus Sicht der Hilfsmittelleistungserbringer*innen und der nicht-ärztlichen Leistungserbringer*innen, deren Perspektive oft ähnlich erscheint, liegt der Fokus auf den Aspekten, die die Interaktion mit den Nutzer*innen beschreiben, wie beispielsweise Service und Beratung, sowie auf den Aspekten, die den Umgang von Nutzer*innen mit dem Hilfsmittel beschreiben. Bei den Kostenträgern zeigt sich eine ökonomische Perspektive in dem Sinne, dass durch das Hilfsmittel tatsächlich das Versorgungsziel erreicht wird und ein Hilfsmittel zu rentablen Zwecken eingesetzt wird. Hier wird die Rolle der Kostenträger als eine Art Kontrollinstanz, auch im Sinne einer gesellschaftlichen Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft der Versicherten, deutlich. (Raschper et al. 2022, S. 62-63 im PDF)


Wirksamkeit hängt auch vom Zeitpunkt des Einsatzes ab

Bestimmte Technologien können zwar die Selbstständigkeit, Sicherheit und Lebensqualität von Menschen mit Demenz erhalten. Sie müssen allerdings zum richtigen Zeitpunkt angeschafft werden. Dauert ein Genehmigungsprozess zu lange, schwinden ggf. bestehende Kompetenzen, so dass der Einsatz der erworbenen Produkte den erwarteten Nutzen nicht mehr erbringen kann. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 155, Hervorhebungen JH)


Wirksamkeit betrifft nicht nur erwünschte, sondern auch unerwünschte und unerwartete Aspekte

Aufgrund der eingebrachten Sorgen wünschen sich Interessensvertreter*innen Ratsuchender, dass im Rahmen der Technikberatung nicht nur positive und als erwünscht geltende Merkmale von Technik thematisiert werden, sondern dass Berater*innen sich auch zu unerwünschten Aspekten der Techniknutzung äußern. Zu einer Technikberatung gehört zudem die Thematisierung von Grenzen des Einsatzes von Technik, die zwar durch Ratsuchende bestimmt werden müssen, für die sie innerhalb der Beratung jedoch sensibilisiert werden sollten. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 118, Hervorhebungen JH)

Als ein häufig thematisiertes, zugleich jedoch einer individuellen Auslegung bedürfendes Merkmal technischer Unterstützung gilt aus Sicht der Befragte der potenziell stigmatisierende Charakter von Technik. Produkte, insbesondere jene, die refinanziert werden, sollten daher nicht stigmatisierend sein, d. h. ihre Nutzer*innen nicht als „krank“, „alt“, „pflegebedürftig“ oder „behindert“ markieren. (Weidekamp-Maicher 2022, S. 118, Hervorhebungen JH)